Mittwoch, 2. Oktober 2013

Mittagstal





Danach wird der Weg noch einmal richtig schön, rechts und links Bäume und ein Flickenteppich in Grün, Grau und Rot bis zum Schild, auf dem wir lesen, dass wir nach Colfosco noch eine Stunde und zehn Minuten zu wandern haben. So lange? Das kommt uns lang vor, zumal unser „Mesoles“ links unten zum Greifen nah scheint und vor uns bereits die gewaltige Felswand des Mittagstales aufragt. Wir steigen ein in den unteren Teil dieses berühmten Tales. Und der Abstieg hat es in sich. Wir befinden uns plötzlich in einem Labyrinth aus Felsen, in dem wir an manchen Stellen vergeblich nach Orientierung suchen. Entweder ist die Lücke zwischen den Brocken zu eng oder gar keine zu finden und in jedem Falle zu hoch und zu steil. Mit Suchen und Probieren kommen wir langsam tiefer. Es geht einigermaßen, bis mir ein Missgeschick passiert, das mir einen Moment lang den Schock in die Adern treibt. Die Sohle eines meiner Schuhe hat sich gelöst, hängt nur noch vorne am Zeh und klafft gefährlich auseinander. Ich schau zu Walter hinüber. Ihm steht der Schreck im Gesicht geschrieben. Ohne Sohle läuft in diesem schroffen Gelände gar nichts. Holt mich hier raus! Mit zitternden Händen binde ich mit dem Schnürband das Teil am Schuh fest und hoffe, dass es hält  und nicht an den scharfen Steinen durchscheuert. Weiter absteigen, es gibt ja keinen anderen Weg. Es scheint gut zu gehen. Ganz langsam kommen wir hinunter, bis zum nächsten Missgeschick. Der zweite Schuh macht dieselben Sohlensperenzchen. Ich könnte schreien, doch Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Auch dieser Bösewicht wird in gleicher Weise mit dem Schnürband behandelt, das heißt, meine Schritte werden noch vorsichtiger. Konzentration pur ist angesagt. Und durchhalten, denn wir haben unser Ziel noch lange nicht erreicht, auch wenn wir es schon prima sehen können. Es geht noch ein gutes Stückchen steil abwärts. Wir kämpfen uns langsam hinunter und erreichen nach einer gefühlten Ewigkeit den sicheren Spazierweg, der uns nach einer erstmaltiefdurchatmen Bankpause zum unteren Teil des Wasserfalls führt, dem touristischen Bereich. Der ist schön präpariert, sodass ich es sogar wage, auf notdürftig festgebundenen Sohlen die paar Höhenmeter hochzusteigen. Schließlich gelangen wir quer über die Wiese und durch ein Wäldchen zur Herberge, auf deren Terrasse wir unseren Herrn Lanzinger mit der Geschichte erheitern und uns ein kühles Skiwasser genehmigen. Ja, das Mittagstal ist nicht einfach und sie müssten da mit den Wanderwegen viel mehr machen, meint er. 

Fotos und Leseprobe aus: 



Dienstag, 1. Oktober 2013

Edelweißtal

vom Aussichtsplatz „Crêpe de Sela“:
Ciampac, Edelweißtal, Sassongher und Colfosco im Tal
von der Puez Hochebene hinunter
durch das Edelweißtal nach Colfosco
vom Kolfuschg Höhenweg:
Edelweißtal zu Füßen des Sassongher
Edelweißtal mit Edelweißhütte
Wir folgen noch immer dem Dolomiten Höhenweg Nr. 2 und stehen irgendwann an einem Schild und vor der Frage, ob wir die vierzig Minuten zur Puezhütte dranhängen sollen. Das machen wir jedoch nicht, weil wir uns vorstellen, dass jenseits des Ciampac der Abstieg ins Edelweißtal auch nicht ganz ohne Schwierigkeit sein wird. Das ist dann auch so.  Für diesen Abschnitt benötigen wir noch einmal alle Konzentration und es wird noch eine ganze Weile Abstiegsarbeit bis zu unserem verdienten Skiwasser in der Edelweißhütte. Und dann sind wir ja immer noch nicht in unserer Herberge. Wir müssen noch hinunter nach Colfosco und von dort wieder hinauf zum „Mesoles“, wo auch heute wieder die Terrasse mit schmunzelnder Begrüßung von Herrn Lanzinger „Da kommt ein müder Wanderer zurück“ und ein weiteres Skiwasser auf uns warten.

Fotos und Leseprobe aus: 


Montag, 30. September 2013

Wandern auf der Skiwiese




Durch Wiese und Wäldchen gehen wir ein Stück auf dem Wasserfallweg Richtung Corvara und folgen dem Wanderweg Nr. 645 zunächst bis zum Aussichtspunkt „Crêpe de Sela“ mit Bank und Edelweißpanorama mit Colfosco. Hier sitzen wir gemütlich und beobachten Paraglider, die über dem Sassongher auftauchen, ihn umrunden, über Corvara hinweg fliegen und irgendwo unten im Tal landen. Einer kommt ziemlich nah an uns vorbei, winkt und ruft uns etwas zu. Dann gehen wir weiter und befinden uns plötzlich in der Trasse der Boégondel, in der wir schon werweißwie oft auf unseren Sellarunden gestanden oder neuerdings gesessen haben. Das ist doch mal ein interessantes Erlebnis, hier zu stehen und die Gondeln über sich hinwegschweben zu sehen. Wir müssen allerdings diese Höhenmeter selbst bewältigen. In verschlungenen Pfaden geht es weiter steil bergauf bis zum nächsten Erlebnis. Wir erreichen einen Skihang, erkennen ihn sofort, schauen hoch zum Ausstieg der Boégondel und erinnern uns daran, wie wir hier auf der Sellarunde  immer so schön runterflitzen und wo in der Kurve einer auf den anderen wartet, bevor wir den Weg um den Berg herum und die Abfahrt zum Sessel am Campolongopass nehmen, der uns dann zum Bec de Rocces bringt. Jetzt gehen wir zu Fuß hinunter und müssen auf der Schotterpiste ganz schön aufpassen, dass wir nicht auf den Hintern rutschen. Nach einer Hüttentrinkpause auf dem Weg zur Passstraße queren wir auch die Sesseltrasse und erreichen erreichen sie in der Nähe des Cherzsessels auf dem Skihang, den wir auch schon unzählige Male überquert haben. Durch den Wald gehen wir in Richtung Corvara, jedoch nur bis Planac, wo wir denn für ein paar Euro den Bus nach Colfosco nehmen.

Fotos und Leseprobe aus: 




Freitag, 27. September 2013

Cherz, Alm und Panorama





Unsere letzte Wanderung ist heute angesagt. Es wird ein sanfter Abschluss sein. Wir gehen zur Bushaltestelle Hotel Lujanta in Colfosco und lassen uns über Corvara hinaus bis auf die Campolongo Passhöhe bringen. Von dort wandern wir hoch zur Cherzhütte, wo schon Cappuccino angesagt ist, nicht ohne zwischendurch immer wieder den Blick auf das Sellamassiv mit Vallon und Boéspitze zu wenden, zwei Ziele, die wir in diesen Wandertagen nicht geschafft haben, uns jedoch im Hinterkopf bleiben. So lassen wir uns über Almen von Hütte zu Hütte treiben, vorbei an „Marmotta“,  „Pralongia“, „Bioche“, gehen den Panoramaweg, links Sassongher rechts Setsas, und schließlich unterhalb des Col Alto hinunter nach Corvara zur Bushaltestelle. 

Fotos und Leseprobe aus: 




Dienstag, 24. September 2013

Um den Langkofel herum







Etliche Höhenmeter oberhalb des Bogens, mit dem wir auf Skiern den Langkofel umrundet haben, gehen wir jetzt weiter auf dem Wanderweg Nr. 626 bis zu einem Aussichtsplatz mit Bänken, ideal für ein Picknick einschließlich Panoramablick auf Schlern, Vajolet und irgendwo ganz rechts muss der Monte Pana sein. Auf einem Schild lesen wir, dass ein Wanderweg von dort hier hinauf und zur Langkofelumrundung in beiden Richtungen führt.
Steinig und geröllig geht’s weiter auf schmalen Pfaden. Im Schatten des Langen überqueren wir ein Schneefeld und eine Rinne. Irgendwann lugt das Sellamassiv  über eine Kuppe, lässt grüßen und sagen, wir haben den größten Teil geschafft. Dicke Felsbrocken geben einen Vorgeschmack auf die steinerne Stadt, die wir dann auf der Skitrasse durchqueren werden und blaue Fahnen weisen hin auf die Comicihütte. Nach der Cappuccinopause ist es nur noch ein Spaziergang mit wunderbaren Ausblicken auf Sella und Marmolada. Von rechts oben blickt der mächtige Berg zufrieden auf uns herab. Ja, Langer, wir haben dich nun zum zweiten Mal umrundet.

Fotos und Leseprobe aus: 


Freitag, 13. September 2013

Vom Grödnerjoch zu den Cirspitzen






Oberhalb des Ausstiegs [Frara Gondelbahn] beginnt der Wanderweg Nr. 2, dem wir jetzt eine ganze Weile folgen müssen, zunächst ein steiler Aufstieg zwischen Felsen hinauf auf das Cirjoch. Schon nach ein paar Höhenmetern durch sehr steiles felsiges Gelände sehen wir unten die „Frara“ Bergstation, etwas weiter hinten das „Frara“ Restaurant und oberhalb den Weg unserer ersten Wanderung, die Nr. 666. Etliche Wanderer sind nun auf dieser Route Nr. 2 unterwegs, dem Dolomiten Höhenweg. Zwei von ihnen fallen mir besonders auf. Mit  ihren roten Hüten und größeren Rucksäcken befinden sich direkt unter uns. Ach ja, nicht einfach, aber schön, dieser Weg. Seit dem Mittagstalabstieg und mit verlässlichen Schuhsohlen sehe ich die Schwierigkeitsgrade mit anderen Augen. Und da ist das hier machbar für uns. Mit jedem Höhenmeter werden die Blicke atemberaubender, unten das Panorama mit Sellamassiv, Serpentinen der Passstraße, Frara Ausstieg, Langkofel, Baustelle der Dantercepies Bergstation und Jimmy Hütte und oben die bizarren Konturen der Cirspitzen. Diese Bilder sind fast nicht zu toppen.

Fotos und Leseprobe aus: 




Mittwoch, 11. September 2013

Der Drache vom Crespeinasee







Auch nach der Pause auf diesem kleinen Crespeinajoch mit Jesuskreuz bleibt die Route einigermaßen eben. Wir durchqueren eine große Mulde zwischen Puezgruppe und Ciampac, in deren Mitte die Oberfläche des Crespeinasees blaugrün leuchtet und die ihn umgebenden Berge spiegelt. 
In ihm soll einmal ein böser Drache gewohnt haben, erzählt man. Wenn er wütend war, habe er so heftig auf das Wasser geschlagen, dass es hohe Wellen und schreckliche Unwetter gab. Wenn er dann über die Puez-Hochebene flog, habe er einen langen bunten Feuerschweif hinter sich hergezogen. Er habe nur Böses über die Menschen in den Tälern gebracht. Deshalb habe man hier Kreuze aufgestellt. Vielleicht auch das, unter dem wir soeben Pause gemacht haben. Jedenfalls habe das geholfen, denn danach sei das Untier nie mehr gesehen worden.
Das Landschaftsbild bleibt faszinierend, ebenfalls die Flora, vor allem, als ich plötzlich Blüten entdecke in einem Blau, das ich noch nicht gesehen habe, ein anderes Blau als das der Glockenblumen, die hier an einigen Stellen wachsen. Es könnte Enzian sein, doch dessen Blütenformen hab ich anders in Erinnerung. Später finde ich heraus, dass es Schneeenzian ist.
Wir folgen noch immer dem Dolomiten Höhenweg Nr. 2 und stehen irgendwann an einem Schild und vor der Frage, ob wir die vierzig Minuten zur Puezhütte dranhängen sollen. Das machen wir jedoch nicht, weil wir uns vorstellen, dass jenseits des Ciampac der Abstieg ins Edelweißtal auch nicht ganz ohne Schwierigkeit sein wird. 

Fotos und Leseprobe aus dem eBook:

Sechs Wanderungen in den Dolomiten 




Montag, 9. September 2013

Colfosco, Edelweißtal und Sellamassiv




Nach der gestrigen Herausforderung wollen wir heute etwas Ruhiges machen, den Kolfuschger Höhenweg gehen. Bei strahlendem Wetter lassen wir unser idyllisches „Mesoles“ zurück und wandern hinunter in den Ort. Von der Kirche aus geht der Wanderweg Nr. 4 hinauf zum Parkplatz der Gondel zum Col Pradat, die wir aber nicht nehmen, sondern weiter bergauf in das Edelweißtal laufen, das sich mit friedlich grasenden Tieren als Alm präsentiert. Die gleichnamige Edelweißhütte lassen wir rechts liegen lassen, bis wir das Schild erreichen. Wanderweg Nr. 4 müssen wir zunächst weiter gehen. Bis zum Grödnerjoch benötigen wir eine Stunde und vierzig Minuten, lesen wir.
Irgendwo verlassen wir die Trasse und gehen auf dem Wanderweg Nr. 8 weiter, stetig geröllig bergauf und beim Zurückschauen werden wir belohnt mit dem Blick hinunter auf die Skipisten des Edelweißtales und Colfosco idyllisch an seinem Ende gelegen. Angenehm zu gehen, dieser Höhenweg zu Füßen des Ciampac und heute sind wir auch nicht allein auf der Route wie gestern, können aber die einsame Wanderung des Vortages noch einmal wunderbar verfolgen, denn in das Sellamassiv haben wir fast die ganze Zeit einen wunderbaren Einblick. Der in den unteren Teil des Mittagstales hat nach dem Schuhsohlendrama nun einen ganz besonderen Stellenwert und ich kann ihn immer wieder anschauen und mich wundern, wie harmlos das doch alles aus der Entfernung aussieht. 

Fotos und Leseprobe aus:



Dienstag, 3. September 2013

Über die Langkofel Scharte hinaus





Der Ausstieg aus dem seltsamen Gefährt ist für mich genauso aufregend wie der Einstieg und ich bin froh, als ich wieder Boden unter meinen neuen Wanderschuhen fühle. Sofort strebe ich zum Ausblick in die andere Richtung der Scharte, die ich als Abgrund in Erinnerung habe. Und was ich da sehe, lässt mir sogar noch im Nachhinein den Atem stocken. Wie sind wir vor drei Jahrzehnten nur mit Skiern diese enge steinige steile Scharte hinunter gekommen? Wanderer jedenfalls sind heute in großer Zahl auf der Route unterwegs, das heißt, wir müssen den Weg gar nicht suchen. 

Fotos und Leseprobe aus: 

Sechs Wanderungen in den Dolomiten (Kindle)

Sechs Wanderungen in den Dolomiten (Beam)

Montag, 2. September 2013

Auf den Langkofel




Heute wird’s spektakulär. Jedenfalls wenn ich dreißig Jahre zurück denke. Da haben wir nämlich auf Skiern das gemacht, was wir heute planen, wir haben den Langkofel umrundet. Nun wollen wir ihn umwandern. Einerseits bin ich sehr gespannt auf die Tour, andererseits doch ziemlich aufgeregt, denn das Skiabenteuer war schon sehr besonders, besonders spektakulär, wenngleich alles gut gegangen ist. Der obere Teil war der pure Horror und auf den bin ich am meisten gespannt.
Wir fahren mit dem Auto los über das Grödner-  zum Sellajoch und parken (kostenpflichtig) auf der Passhöhe. Dann beginnt schon die erste Aufregung. Wir wollen die weißen Zweiergondeln nehmen, die uns die Scharte hinauf bringen. Das ist noch genauso wie vor dreißig Jahren. Das Teil hält nicht an. Das heißt, man muss sich an einen vom Liftmenschen angewiesenen Platz stellen, genau aufpassen, wenn der Käfig kommt, hoffen, dass der Liftmensch die Tür öffnet, ein Stück mitlaufen und reinspringen. Ich schaffe das nur, weil mich jemand am Arm packt und halb hineinhebt und halb hineinschubst. Jedenfalls weiß ich nicht genau, wie ich hereingekommen bin. Plötzlich stehe ich neben Walter, der es wie durch ein Wunder auch geschafft hat. So eng eingezwängt werden wir hinaufgebracht, eigentlich doch ganz bequem, wenn ich sehe, wie einige Unverdrossene unten in der Scharte zwischen Felsbrocken und Geröll hinaufkraxeln. Das hat nämlich schon was von Mittagstal. Wenn ich hinauf- und hinunterschaue, sieht es wirklich spektakulär aus, die berüchtigte Scharte und die steinerne Stadt, die wir in unzähligen Sellarunden passiert haben und die Passhöhe, inzwischen ganz klein geworden.




Route 666






Der Wanderweg Nr. 666 beginnt unmittelbar hinter dem Restaurant „Frara“ oberhalb der Passstraße. Als harmloser schmaler Pfad schlängelt er sich hinauf und führt uns schnell auf eine Höhe, von der aus wir das ganze Panorama mit Cirjoch, der Dantercepies Bergstation, Jimmy Hütte, Almen mit Heustadeln, Pasststraße und mitten darin unsere Cappuccinoterrasse vor Augen haben. Auf vielleicht halber Höhe des Sellamassivs gehen wir dann eine ganze Strecke weit ziemlich eben in  Richtung Colfosco und Corvara, umgeben von Bergblumen in Rot, Blau, Gelb und Weiß, links der Abgrund, mal steil mal sanfter, rechts der schroffe Fels des mächtigen Sella und inzwischen unter uns das liebliche Tal mit Colfosco und Sassongher.