Danach wird der Weg noch einmal richtig schön, rechts und
links Bäume und ein Flickenteppich in Grün, Grau und Rot bis zum Schild, auf
dem wir lesen, dass wir nach Colfosco noch eine Stunde und zehn Minuten zu
wandern haben. So lange? Das kommt uns lang vor, zumal unser „Mesoles“ links
unten zum Greifen nah scheint und vor uns bereits die gewaltige Felswand des
Mittagstales aufragt. Wir steigen ein in den unteren Teil dieses berühmten
Tales. Und der Abstieg hat es in sich. Wir befinden uns plötzlich in einem
Labyrinth aus Felsen, in dem wir an manchen Stellen vergeblich nach
Orientierung suchen. Entweder ist die Lücke zwischen den Brocken zu eng oder
gar keine zu finden und in jedem Falle zu hoch und zu steil. Mit Suchen und
Probieren kommen wir langsam tiefer. Es geht einigermaßen, bis mir ein
Missgeschick passiert, das mir einen Moment lang den Schock in die Adern
treibt. Die Sohle eines meiner Schuhe hat sich gelöst, hängt nur noch vorne am
Zeh und klafft gefährlich auseinander. Ich schau zu Walter hinüber. Ihm steht
der Schreck im Gesicht geschrieben. Ohne Sohle läuft in diesem schroffen
Gelände gar nichts. Holt mich hier raus! Mit zitternden Händen binde ich mit
dem Schnürband das Teil am Schuh fest und hoffe, dass es hält und nicht an den scharfen Steinen
durchscheuert. Weiter absteigen, es gibt ja keinen anderen Weg. Es scheint gut
zu gehen. Ganz langsam kommen wir hinunter, bis zum nächsten Missgeschick. Der
zweite Schuh macht dieselben Sohlensperenzchen. Ich könnte schreien, doch Humor ist, wenn man
trotzdem lacht. Auch dieser Bösewicht wird in gleicher Weise mit dem Schnürband
behandelt, das heißt, meine Schritte werden noch vorsichtiger. Konzentration
pur ist angesagt. Und durchhalten, denn wir haben unser Ziel noch lange nicht
erreicht, auch wenn wir es schon prima sehen können. Es geht noch ein gutes
Stückchen steil abwärts. Wir kämpfen uns langsam hinunter und erreichen nach
einer gefühlten Ewigkeit den sicheren Spazierweg, der uns nach einer erstmaltiefdurchatmen
Bankpause zum unteren Teil des Wasserfalls führt, dem touristischen Bereich. Der
ist schön präpariert, sodass ich es sogar wage, auf notdürftig festgebundenen
Sohlen die paar Höhenmeter hochzusteigen. Schließlich gelangen wir quer über
die Wiese und durch ein Wäldchen zur Herberge, auf deren Terrasse wir unseren
Herrn Lanzinger mit der Geschichte erheitern und uns ein kühles Skiwasser
genehmigen. Ja, das Mittagstal ist nicht einfach und sie müssten da mit den
Wanderwegen viel mehr machen, meint er.
Fotos und Leseprobe aus:
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