Dienstag, 8. April 2014

Rund um den Langkofel










Heute wird’s spektakulär. Jedenfalls wenn ich dreißig Jahre zurück denke. Da haben wir nämlich auf Skiern das gemacht, was wir heute planen, wir haben den Langkofel umrundet. Nun wollen wir ihn umwandern. Einerseits bin ich sehr gespannt auf die Tour, andererseits doch ziemlich aufgeregt, denn das Skiabenteuer war schon sehr besonders, besonders spektakulär, wenngleich alles gut gegangen ist. Der obere Teil war der pure Horror und auf den bin ich am meisten gespannt.
Wir fahren mit dem Auto los über das Grödner-  zum Sellajoch und parken (kostenpflichtig) auf der Passhöhe. Dann beginnt schon die erste Aufregung. Wir wollen die weißen Zweiergondeln nehmen, die uns die Scharte hinauf bringen. Das ist noch genauso wie vor dreißig Jahren. Das Teil hält nicht an. Das heißt, man muss sich an einen vom Liftmenschen angewiesenen Platz stellen, genau aufpassen, wenn der Käfig kommt, hoffen, dass der Liftmensch die Tür öffnet, ein Stück mitlaufen und reinspringen. Ich schaffe das nur, weil mich jemand am Arm packt und halb hineinhebt und halb hineinschubst. Jedenfalls weiß ich nicht genau, wie ich hereingekommen bin. Plötzlich stehe ich neben Walter, der es wie durch ein Wunder auch geschafft hat. So eng eingezwängt werden wir hinaufgebracht, eigentlich doch ganz bequem, wenn ich sehe, wie einige Unverdrossene unten in der Scharte zwischen Felsbrocken und Geröll hinaufkraxeln. Das hat nämlich schon was von Mittagstal. Wenn ich hinauf- und hinunterschaue, sieht es wirklich spektakulär aus, die berüchtigte Scharte und die steinerne Stadt, die wir in unzähligen Sellarunden passiert haben und die Passhöhe, inzwischen ganz klein geworden.
Der Ausstieg aus dem seltsamen Gefährt ist für mich genauso aufregend wie der Einstieg und ich bin froh, als ich wieder Boden unter meinen neuen Wanderschuhen fühle. Sofort strebe ich zum Ausblick in die andere Richtung der Scharte, die ich als Abgrund in Erinnerung habe. Und was ich da sehe, lässt mir sogar noch im Nachhinein meinen Atem stocken. Wie sind wir vor drei Jahrzehnten nur mit Skiern diese enge steinige steile Scharte hinunter gekommen? Wanderer jedenfalls sind heute in großer Zahl auf der Route unterwegs, das heißt, wir müssen den Weg gar nicht suchen.
Nach einigen Höhenmetern Abstieg ist es nicht mehr ganz so steil und der Blick zurück zeigt die Demetzhütte neben der Gondelankunft schon in einiger Entfernung. Wir sind auf jeden Fall viel sicherer unterwegs als noch vor zwei Tagen und freuen uns mit jedem Schritt nicht nur über meine neuen Schuhe, sondern auch über unsere Trekkingstöcke, die sich als prima Hilfe erweisen.
Nach einer Weile erreichen wir am Fuße eines schroffen Felsriesen des Plattkofel eine Hütte. Die muss es vor drei Jahrzehnten schon gegeben haben. Nur lag sie an jenem Januartage tief verschneit und war natürlich nicht bewirtschaftet, denn wer war schon so verrückt, auf Skiern hierher zu fahren? Seinerzeit jedenfalls war sie ein guter Orientierungspunkt, um im unberührten Gelände zu sagen: Wir fahren jetzt auf die Hütte zu. Und da hatten wir es noch lange nicht geschafft, sondern kämpften uns weiter bis hinunter zu einer Ebene mit einen Pfad durch eine Anpflanzung von Bäumen, wo wir uns erst einmal der Länge nach in den Schnee fallen ließen und uns freuten, dass wir diesen Berg hinter uns gelassen hatten, bevor wir uns aufrappelten, bis zu einer Straße wanderten und dieser folgten, bis wir endlich einen Lift erreichten, von dem aus wir auf Skipisten unserer Langkofelrunde folgen konnten. Mittlerweile wissen wir, dass das die Bergstation des Monte Pana gewesen sein musste und dass wir uns mit diesem Abenteuer komplett übernommen hatten, doch das verblasst in der Erinnerung, denn die Faszination der winterlichen Landschaft ist nach wie vor lebendig.
Wir haben also die Langkofelhütte erreicht, heute belagert von Bergwanderern, die sich in der Mittagssonne auf Terrasse und den umgebenden Felsen zum Picknick niedergelassen haben. Nun müssen wir den Plattkofel mit Hütte links liegen lassen und uns nach rechts orientieren und einen Weg um unseren Langen herum finden.
Etliche Höhenmeter oberhalb des Bogens, mit dem wir auf Skiern den Langkofel umrundet haben, gehen wir jetzt weiter auf dem Wanderweg Nr. 626 bis zu einem Aussichtsplatz mit Bänken, ideal für ein Picknick einschließlich Panoramablick auf Schlern, Vajolet und irgendwo ganz rechts muss der Monte Pana sein. Auf einem Schild lesen wir, dass ein Wanderweg von dort hier hinauf und zur Langkofelumrundung in beiden Richtungen führt.
Steinig und geröllig geht’s weiter auf schmalen Pfaden. Im Schatten des Langen überqueren wir ein Schneefeld und eine Rinne. Irgendwann lugt das Sellamassiv  über eine Kuppe, lässt grüßen und sagen, wir haben den größten Teil geschafft. Dicke Felsbrocken geben einen Vorgeschmack auf die steinerne Stadt, die wir dann auf der Skitrasse durchqueren werden und blaue Fahnen weisen hin auf die Comicihütte. Nach der Cappuccinopause ist es nur noch ein Spaziergang mit wunderbaren Ausblicken auf Sella und Marmolada. Von rechts oben blickt der mächtige Berg zufrieden auf uns herab. Ja, Langer, wir haben dich nun zum zweiten Mal umrundet.

Leseprobe und Fotos aus: 


Fotos: Renate Hupfeld im Juli 2013

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